Eine Frau bei einer Demonstration im Iran, die auf einer großen Mülltonne steht und den Arm hebt
SWR Kultur

"Frauen, Leben, Freiheit": Schreibt der Iran gerade feministische Weltgeschichte?

Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. · 30.09.2022 · 28 Min.
Eine Frau bei einer Demonstration im Iran, die auf einer großen Mülltonne steht und den Arm hebt

Eine junge Frau ohne Kopftuch, die auf dem Dach eines Autos steht und "Tod dem Diktator" ruft. Zwei Frauen, die ohne Kopftuch frühstücken gehen. Frauen, die gegen die allgegenwärtige Sittenpolizei protestieren. Noch vor kurzer Zeit wäre all das im Iran undenkbar gewesen. Seit etwa zwei Wochen ereignen sich derartige Szenen in der Islamischen Republik immer wieder. Auslöser der Proteste war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die von der Sittenpolizei festgenommen wurde und später im Krankhaus starb. Die daraus entstandenen Proteste berühren einen Kernbestandteil der Islamischen Republik: die Pflicht für Frauen, ein Kopftuch zu tragen. Schreiben die Frauen im Iran gerade feministische Weltgeschichte? "Ja", sagt die Journalistin Natalie Amiri im SWR2 Podcast "Was geht - was bleibt". "Denn auf den Straßen stehen Frauen, sie reißen sich das Kopftuch vom Leib, unter dem Beitrag von Männern und Frauen, sie verbrennen ihre Kopftücher, sie widersetzen sich der Sittenpolizei, die sie mehr als 40 Jahre lang diskriminiert hat, beleidigt, beschimpft, verhaftet und in Mini-Busse gezerrt und sie fertig gemacht hat. Die Frauen, die jetzt sagen: Wir machen nicht mehr mit. Aber - so Amiri - das Regime schlage hart zurück. Die Frauen im Iran litten seit mehr als 43 Jahren, "ich habe nie so willensstarke Frauen wie die im Iran gesehen", sagt Natalie Amiri. Feminist*innen auf der ganzen Welt sollten sich noch weitaus mehr mit den Frauen im Iran solidarisieren, ein Kopftuchverbot zum Beispiel in Deutschland lehnt Amiri jedoch ab: "Wenn wir hier in der Demokratie, in Freiheit Frauen verbieten Kopftücher zu tragen, wären wir nicht viel besser als die Islamische Republik." Die Politologin und Aktivistin Emilia Roig sieht die iranischen Proteste im Kontext eines weltweiten Feminismus: "Der Protest zeigt, wie tödlich das Patriarchat im Iran ist. "Auch in Deutschland gebe es Gewalt gegen Frauen, so Roig: "Alle drei Tage wird hier eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet." Man müsse das Patriarchat "jeden Tag verlernen", "wir müssen die unterlegene Position der Frauen verlernen und auch die binäre Geschlechtsordnung." Habt Ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de Host: Philine Sauvageot Redaktion: Philine Sauvageot und Daniel Stender